Geschichte des Projekts
Vorgeschichte
Im Jahr 1678 veröffentlichte Charles du Fresne Dom Du Cange sein Glossarium Mediae et Infimae Latinitatis. Sein Werk erfuhr im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Bearbeitungen, an der Materialbasis wurde dabei jedoch nichts geändert.
Als im Jahr 1919 die Union académique internationale (UAI) gegründet wurde, hatten bereits sieben Jahre zuvor Rechsthistoriker ein großes neues Projekt gefordert, um ein modernes Wörterbuch zum Mittellatein erarbeiten zu lassen.
Nach dem Ersten Weltkrieg blieb Deutschland bis 1937 von der UAI ausgeschlossen. Bis dahin waren seine Interessen von einem Comité du Dictionnaire du latin médiéval wahrgenommen worden.
Projektbeginn und Arbeit am MLW bis 1996
1939 begann Dr. Otto Prinz († 2003) auf Geheiß des Berliner Latinisten Johannes Stroux († 1954) in München an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften eine Arbeitsstelle aufzubauen, die einer «Kommission für die Herausgabe eines mittellateinischen Wörterbuches» unterstellt war (2015 trat an deren Stelle der Projektausschuss für das «Projekt Mittellateinisches Wörterbuch»), wurde jedoch kurze Zeit später zum Wehrdienst eingezogen und kam erst 1948 aus russischer Gefangenschaft zurück (vgl. den Nachruf von Prof. Dr. Peter Stotz in Akademie Aktuell 02/2003). Das Vorhaben wurde zügig wieder in Angriff genommen, und so erschien nach vorbereitenden Arbeiten (Aufbau der Materialsammlung usw.) 1959 der erste Faszikel des MLW.
Im Untertitel des Wörterbuches wird bis heute zudem mit gutem Grund Paul Lehmann († 1964) genannt, da er maßgeblichen Anteil an der Gründung und seit 1954 an der Betreuung des Projektes hatte.
Auf Otto Prinz als Arbeitsstellenleiter folgten Theresia Payr (bis 1993 †), Peter Dinter (bis 2000) und Heinz Antony (bis 2008). Seit 2008 liegt die Leitung in den Händen von Adelheid Wellhausen.
Als zeitlicher Rahmen wurde die Epoche von 500 n. Chr. bis zum Tod von Albertus Magnus († 1280) festgelegt. Dadurch bedingt, können im MLW sowohl frühe Merowingertexte (die dem später gegründeten, zeitlich weit enger gefassten Novum Glossarium mediae Latinitatis fehlen) und germanische Rechtstexte als auch die Terminologie der Scholastik berücksichtigt werden (bevor diese sich in zahlreiche Schulen aufspaltete). Um auch Fachtexte angemessen präsentieren zu können, wurden u. a. medizinische Texte aus der sogenannten Ärzteschule von Salerno und interessantes Material aus dem sogenannten Reichsitalien ins Corpus aufgenommen. Die räumlichen Grenzen erstrecken sich daher über den deutschen Sprachraum hinaus nach Westen ins Frankenreich, nach Osten u. a. bis nach Polen, nach Norden bis nach Großbritannien und im Süden nach Sizilien (vgl. Das Wörterbuch).
Die Berliner Arbeitsstelle
1950 wurde in Berlin eine zweite Arbeitsstelle eingerichtet, deren Leitung Dr. Johannes Schneider übernahm. Die vor allem politisch bedingten Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit wurden nach der Wiedervereinigung kurzzeitig überwunden (weitere Informationen siehe Akademie Aktuell 03/2003, S. 28).
Dennoch beschloss die Berlin-Brandenburgische Akademie, die Arbeitsstelle zum Ende des Jahres 1996 zu schließen (eine Liste ehemaliger Mitarbeiter finden Sie hier).
Aktuelle Situation
Heute beschäftigt das MLW an seiner Münchner Arbeitsstelle 11 wissenschaftliche Mitarbeiter(innen). Sie erarbeiten mit Hilfe der Materialsammlung die Artikel, die ein- bis zweimal jährlich im Verlag C. H. Beck (München) in Faszikeln erscheinen (Hefte mit 80 Seiten à zwei Spalten). Unterstützt werden sie dabei von in- und ausländischen Stipendiaten und einer Sekretärin in Teilzeit.
Für eine digitale Version des MLW (siehe MLW digital) wurde eine Kooperation mit dem Trierer Kompetenzzentrum für Digitalisierung eingegangen.
Auch die Zusammenarbeit mit der IT-Abteilung an der BAdW ist in den letzten Jahren um vieles intensiviert worden.
So wurde eine XML-Oberfläche auf der Basis von Visual Studio Code entwickelt, mit deren Hilfe es den Mitarbeiter(inne)n nach Abschluss von Band IV möglich ist, die Druckvorlage für den Verlag einzurichten und zugleich die Daten für die digitale Version bereitzustellen.
Die Bearbeitung der Artikel erfolgt zudem mit Hilfe eines Tools (dMLW), in dem das digitalisierte Zettelmaterial direkt mit den Quelltexten verknüpft ist und eine rein digitale Arbeitsweise ermöglicht. Entwickelt wurde dieses Hilfsmittel durch den ehemaligen Schweizer Stipendiaten am MLW, Alexander Häberlin, M. A. Für die nähere Zukunft ist die Freischaltung des Tools für interessierte Forschende vorgesehen.
Abgesehen davon erfuhr die Artikelarbeit in der jüngsten Zeit einige kleinere Modifizierungen. So fielen u. a. die althochdeutschen Glossen weg, die inzwischen durch ein eigenes Projekt zugänglich gemacht wurden. Da das Dictionary of Medieval Latin from British Sources (DMLBS) bereits vollständig vorliegt, wird auf die Zitierung aus diesem Sprachraum mittlerweile weitgehend verzichtet. Außerdem wurden umfangreiche sogenannte Formwörter, also Lemmata, deren semantischer Gehalt niedrig ist (wie z. B. Demonstrativpronomina, deren Gebrauch eine Grammatik oder Stilistik besser beschreiben kann), ab dem Buchstaben I aus der laufenden Artikelarbeit vorläufig ausgeklammert.
Weiterführende Informationen bietet ein Artikel von F.-J. Konstanciak in Akademie Aktuell 03/2003.